Warum es falsch ist, in der Kirche nur Christ_innen einzustellen

Aus gegebenem Anlass (eine Diskussion über eine Stellenausschreibung drüben auf meiner Facebook-Pinnwand) möchte ich hier etwas über die Frage schreiben, ob es richtig ist, dass kirchliche Einrichtungen bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangen, dass diese Kirchenmitglied sind. Das ist nämlich so, wobei die katholische Kirche in der Regel sogar die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche vorschreibt, während die evangelische nur die in irgendeiner Kirche verlangt (die Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ist – dies, um dubiose Gemeinschaften auszuschließen).

Die Einwände von säkularer bzw. atheistischer Seite lauten meistens, diese Praxis sei diskriminierend, und es sei falsch, dass private Vereine wie die Kirchen ihr eigenes „Recht“ ausbilden und sich über Gesetze hinwegsetzen, etwa die Gleichberechtigung von Frauen oder das Diskriminierungsverbot gegenüber Geschiedenen.

Dieser Einwand überzeugt mich nicht, im Gegenteil, ich finde ihn ganz schön staatshörig. Auch wenn mir in bestimmten Belangen ebenfalls die gegenwärtige Meinung des Staates besser gefällt als die der katholischen Kirche, zum Beispiel in Bezug auf Homosexualität. Aber ich halte es für ein bisschen blauäugig, daraus eine allgemeine Regel zu machen. Denken wir nur mal kurz an die  Personalpolitik der Nazis. Es geht bei dem Thema nicht um links versus rechts oder um gut versus schlecht oder um konservativ versus fortschrittlich, sondern um zentralistisch versus dezentral.

Ich bin jedenfalls ein großer Fan des so genannten „Subsidiaritätsprinzips“, das besagt, dass bestimmte staatlich mitfinanzierte Leistungen (Krankenhäuser, Kitas, Pflegeheime, Beratungsstellen usw.) von einer breiten Palette weltanschaulich verschiedener Träger umgesetzt werden. Oft wird so getan, als gehe es hier um ein spezielles Privileg der Kirchen, aber diese Privilegien gelten für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts bzw. die Träger der „Freien Wohlfahrtspflege“, wozu neben Diakonie und Caritas auch der jüdische Wohlfahrtsverband, die Arbeiterwohlfahrt und so weiter gehören.

Diese  Praxis, dass nicht (nur) der Staat selbst, sondern eben solche Verbände sozialstaatliche Aufgaben wahrnehmen (und entsprechend über Beiträge und Zuschüsse finanziert werden), finde ich vom Prinzip her sehr viel besser und auch weniger anfällig für diktatorische Entwicklungen als eine staatlich verordnete Einheitssoße.

Auch wenn das natürlich mehr Konflikte mit sich bringt, weil Kriterien und Qualitätsmaßstäbe gemeinsam entwickelt werden müssen. Und es ist sehr wichtig, dass es transparente und gerechte Regeln darüber gibt, welche weltanschaulichen Gruppierungen entsprechend staatlich „beauftragt“ werden können, um Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime und so weiter zu betreiben. Bestimmt kann man daran noch Dinge verändern, und das sollte auch immer in der Diskussion sein. Aber dass es diesen Pluralismus prinzipiell gibt, das tut meiner Ansicht nach der Gesellschaft gut.

Nachvollziehbarer finde ich es, wenn sich die Kritik auf die Größe der kirchlichen Sozialkonzerne beruft. Tatsächlich finde ich auch, dass man sich ab einer bestimmten Marktmacht und damit verbunden ab einer bestimmten Höhe der öffentlichen Finanzierung nicht mehr so einfach allein auf weltanschauliche Eigenarten berufen kann. Aber dieses Problem sollte meiner Ansicht nach anders gelöst werden als damit, die weltanschauliche Pluralität in der Wohlfahrtspflege aufzugeben und alles direkt vom Staat machen zu lassen (beziehungsweise unter kompletter staatlicher Überwachung).

Mit gutem Grund gehört zu dieser Pluralität auch die Möglichkeit der jeweiligen Träger sozialer Einrichtungen, ihr Personal nach weltanschaulichen Aspekten auszuwählen. Sonst wäre das ja ziemlich sinnlos. Argumente, dass einzelne Träger nichts anderes machen dürfen als der Staat es vorsieht, überzeugen mich nicht, sofern sich eben keine Monopole ausbilden und es immer mehr als einen Anbieter gibt (was heute durch die Tendenz zur Konzernbildung, die wiederum durch den Zwang zu betriebswirtschaftlicher Profitabilität vorangetrieben wird, tatsächlich nicht immer gegeben ist).

Trotzdem finde ich es falsch, dass kirchliche Sozialträger ausschließlich christliches Personal einstellen. Aber eben nicht aus den normalerweise vorgebrachten Gründen, sondern aus speziell theologischen Gründen.

Denn, erstens: Wenn wir mit dem diakonischen Auftrag argumentieren, also damit, dass es unsere Pflicht als Kirche sei, uns um Arme, Kranke etc. zu kümmern, dann gehört dazu meiner Meinung nach auch die Verpflichtung, uns bestmöglich um sie zu kümmern. Und das wiederum bedeutet, dass wir das beste verfügbare Personal einstellen. In Zeiten, als 95 Prozent der deutschen Bevölkerung christlich waren, bedeutete die Klausel zur erforderlichen ACK-Mitgliedschaft lediglich, dass die sehr wenigen dezidiert anti-christlichen Bewerber_innen ausgeschlossen wurden. Wenn aber heute zum Beispiel in Frankfurt nur noch 40 Prozent der Bevölkerung christlich sind, dann schließen wir mit der ACK-Klausel den größten Teil des Fachkräftepotenzials aus, und das eben zum Schaden der Menschen, um die wir uns doch angeblich kümmern wollen: Wir stellen nämlich die drittbeste Ärztin ein, wenn die beste und zweitbeste nicht in der Kirche sind. Das lässt sich nicht rechtfertigen – nicht, weil es diskriminierend wäre. Sondern weil es unchristlich ist, undiakonisch im Blick auf die Patientinnen und Patienten.

Zweitens: Die weltanschauliche „Marke“ des Christentums – nämlich das Verkünden der „guten Nachricht“ (was das heute bedeutet, hat Nadia Bolz Weber in ihrem Vortrag kürzlich auf dem Kirchentag gut erklärt) – macht sich nicht an formalen Bestimmungen wie einer Kirchenmitgliedschaft fest. Zum Beispiel bei so einem Punkt wie, dass wir Menschen nicht nach Leistung und Nützlichkeit beurteilen sollen, oder dass wir uns stets dessen bewusst sein sollten, dass wir uns nicht aus eigener Kraft erlösen können, sondern dafür auf Hilfe angewiesen sind (der UVL ;I)), solche Dinge: Ob das jemand glaubt oder entsprechend lebt, das lässt sich nicht daran ablesen, ob er oder sie Kirchenmitglied ist oder nicht.

Wenn es uns tatsächlich wichtig ist, christliche Haltungen in die diakonische Arbeit einzubringen, dann müssten wir uns die Mühe machen, das für jeden Arbeitsbereich eigens zu beschreiben und zu definieren, zum Beispiel in Form von konkreten Leitlinien. Die dann meinetwegen Mitarbeiter_innen unterschreiben müssten.

Solche „christlichen“ Grundwerte (die dann aber nicht in christlichem Jargon, sondern in allgemeinverständlichem Vokabular formuliert wären und entsprechend auch von nicht christlichen Mitarbeiter_innen geteilt und unterschrieben werden könnten) stünden dann meiner Meinung nach tatsächlich über der beruflichen Qualifikation. Also: Eine Erzieherin, die Kinder nicht unabhängig von ihrem Elternhaus als gleichermaßen wertvolle, von Gott geliebte Wesen ansieht, sondern die einen vor den anderen bevorzugt, könnte noch so super Abschlüsse haben, sie wäre für die Arbeit in einer christlichen Kita nicht geeignet. Nur: Das lässt sich nicht daran ablesen, ob sie Mitglied in der Kirche ist oder nicht.

So wie es jetzt praktiziert wird, entsteht nicht ohne Grund der Eindruck, die ACK-Klausel diene nicht der christlichen Sache, sondern der arbeitsrechtlichen Bevorzugung der eigenen Vereinsmitglieder. Deshalb bin ich sehr dafür, diese Klausel aufzugeben, mindestens für diakonische Tätigkeitsfelder, aber vielleicht auch ganz generell.

Ich bin davon überzeugt, dass das in naher bis mittlerer Zukunft ohnehin passieren wird. Einfach weil der gesellschaftliche Druck entsprechend größer wird. Aber darauf müssen wir gar nicht warten. Mit guten theologischen Gründen könnten wir dem jetzt schon zuvorkommen.

21 Antworten auf „Warum es falsch ist, in der Kirche nur Christ_innen einzustellen

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  1. Guten Tag.

    Die Lektüre Ihres Textes lässt mich einigermaßen erzürnt zurück. Dies hat zwei Gründe:

    Zum ersten Teil:

    Man möchte Ihnen zurufen: Arbeiten Sie doch mal in einem sozialen Beruf, in dem Sie eigentlich nur Menschen helfen möchten – und kriegen Sie dann zu hören, dass 1/3 Ihrer potentiellen Arbeitnehmer Sie aufgrund Ihrer rationalen Weltsicht bezüglich eines Themas, das NICHTS mit der Arbeit zu tun hat, nicht einstellen werden, egal was passiert. Und diese Diskriminierung finden Sie auch noch „gut für die Gesellschaft“. Das finde ich ehrlich gesagt schon zum Kotzen.

    Was mich aber viel mehr aufregt, ist Ihre Haltung im zweiten Teil:

    „Wir stellen nämlich die drittbeste Ärztin ein, wenn die beste und zweitbeste nicht in der Kirche sind. Das lässt sich nicht rechtfertigen – nicht, weil es diskriminierend wäre. Sondern weil es unchristlich ist, undiakonisch im Blick auf die Patientinnen und Patienten.“

    Sie behaupten also, Unchristlichkeit im Sinne von nicht der bestmöglichen Hilfe ist schlecht – aber Unchristlichkeit im Sinne der Diskriminierung von Nicht-Gläubigen ist komplett egal?

    DAS ist genau diese heuchlerische Haltung, die mich an dem Durchschnitts-„Christen“ in Deutschland seit meiner frühen Jugend anwidert – denn Ihre Haltung in dem Punkt ist genauso unchristlich! Und verdammt arrogant noch dazu.

  2. Diese hier dargelegte Position halte ich für alle (!) Seiten vertretbar. Sie ist klar, verständlich, beinhaltet Diversifizierungsmöglichkeiten und wird der modernen Gesellschaftsstruktur und -Beschaffenheit und gleichermassen dem Grundanliegen aller anerkannten Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften gerecht.

    Was leider (noch?) völlig ausgeklammert ist darin, ist die Gleichberechtigung, und zwar die für Frau und Mann als Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen gegenüber anderen Arbeitnehmern, die alle eigentlich keine „Arbeit nehmen“, sondern „IHRE eigene Arbeit“ geben, an wen auch immer, in dieser doch so als gegenwärtig und modern akzeptierten Gesellschaft.
    Es gibt nichts Menschlicheres, als Arbeit.
    Niemand sonst kann sie verrichten ohne den Menschen, also sollte endlich auch ihre gesellschaftliche Wahrnerhmung und Wertschätzung aus diesem Aspekt bezeichnet und behandelt werden, und nicht aus der nur nachgeordneten Sicht der Kaufmänner und -Frauen der Konzerne, welcher auch immer – die alle samt nicht „Arbeit geben“ sondern diese nehmen, und deshalb dafür angemessen und nicht diskriminierend zu bezahlen haben.

    Wenn diese Gleichberechtigung nicht ebenfalls Grundforderung des Feminismus und religiöser Glaubensbekenntnisse sind, wird JEDE andere Forderung nach Gleichberechtigung zur Farce und wirkt gegen sich selber.

    Diesen brachliegenden Baustein könnte ich mir gut als nichtpatriarchalische und dennoch (oder deshalb!) erforderliche Abrundung dieses hier von Antje Schrupp angeratenen wohl doch gut durchdachten Konzeptes vorstellen, zumal es inzwischen mehr als eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit bei einer Gesellschaft unseren Levels ist, immer mehr Gradmesser der Wahrhaftigkeit und Akzeptanz der Glaubens- und Denkweisen wird.

    Auf den Titelsatz „warum es falsch ist …“ verweise ich mit bescheidenem Abstand auch in dieser Frage der Gleichberechtigung, da es keinen akzeptablen Unterschied zwischen glaubensgetragenen und anderen Lohnarbeiten gibt, jedenfalls nicht, was die Entlohnung betrifft.

  3. Ich stimme dem Artikel grundsätzlich zu, würde aber folgendes anmerken:

    „So wie es jetzt praktiziert wird, entsteht nicht ohne Grund der Eindruck, die ACK-Klausel diene nicht der christlichen Sache, sondern der arbeitsrechtlichen Bevorzugung der eigenen Vereinsmitglieder.“

    Wie ich die Lage (sicher von einem partikularen, aber doch einschlägig informierten Standpunkt aus 😉 wahrnehme, ist die ACK-Klausel in vielen Bereichen der Diakonie, aber auch in evangelischen Bildungseinrichtungen mittlerweile eine Art Feigenblatt, da sie in unzähligen Fällen (als „soll“-Bestimmung) mit teilweise schon stereotypen Gründen („andere Bewerber*innen“ alle nicht geeignet) ausgehebelt wird.

    Gerade in Kirchenleitung und Diakonie drängen deshalb nicht wenige Stimmen darauf, die ACK-Klausel aufzuheben und gegen eine Art verbindlichen „Werteschulung“ der Mitarbeiter auszutauschen (die allerdings dann schon auch konkretes Wissen über die christliche Tradition beinhaltet, nicht nur eine allgemein-humanistische Ethik). Die Eigenlogik bzw. Marktlogik diakonischer Betriebe scheint hier stärker Wirkung zu entfalten als theologische Erwägungen oder gesellschaftliche Kritik von außen.

    Wie das im katholischen Bereich oder in sehr traditionell geprägten Gebieten ist, kann ich freilich nicht einschätzen.

    In jedem Fall ist es sinnvoll, wie in Ihrem Artikel eine theologische Diskussion anzustoßen, woran sich der christliche Charakter gesellschaftlichen Handelns bemisst.

    Besten Gruß!
    Tobias Graßmann (nthk.de)

  4. Vielelicht noch ein paar Ergänzungen von einem, der in der Diakonie Leitungsverantwortung hat. Die im Dezember vom Rat der EKD neu gefasste frühere Loyalitätsrichtlinie, die die sog. AcK Klausel enthält, ermöglicht in der Evangelischen Kirche und Ihrer Diakonie längst, die in der Praxis schon weithin übliche Öffnung für nicht kirchlich gebundene Mitarbeiter. Die Verantwortung für das christliche Profil und die entsprechende Ausbildung und Information der Mitarbeiter liegt jetzt stärker beim Träger als vorher und nicht mehr auf der Frage nach der formalen Kirchenmitgliedschaft. Natürlich soll es auch für nicht kirchlich gebundene Mitarbeiter und anders-religiöse dennoch eine Loyalität zu den Grundaussagen unseres Glaubens geben, denn in kirchlich-diakonischen Einrichtungen, die mit Menschen zu tun haben und dabei immer den ganzen Menschen im Blick haben wollen, gibt es keine Arbeit, die nicht auch etwas mit unserem christlichen Weltbild zu tun hat.
    Es ist übrigens sicher nicht so, dass wir in kirchlichen Krankenhäusern die drittbesten Ärzte einstellen, wie Antje vermutet hat, weil in der Praxis längst eine Öffnung gelebt wurde auch vor der neuen Richtlinie. Sie können sicher sein, das die Evangelischen Krankenhäuser wie alle anderen auch nach den Besten Ärzten Ausschau halten und diese auch einstellen.
    Antjes Befürchtung in Bezug auf die Konzernbildung teile ich im Übrigen auch nicht (es gibt bislang auch nur einen evangelischen Konzern), denn sowohl die Sozialministerien, als auch das Kartellamt achten sehr genau darauf, dass im Sinne der Subsidiarität verschiedene Träger mit unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung die sozialen Aufgaben übernehmen. Insofern gibt es überall in Deutschland die Wahlmöglichkeit und auf die lege ich auch im positiven Sinne Wert, ich möchte mich nämlich für ein evangelisches KRankenhaus und für eine evangelische Kindertagesstätte entscheiden können. Deshalb muss es sie geben.

    1. @Matthias – zur Konzernbildung: kürzlich gab es den Fall, dass Agaplesion zwei Krankenhäuser gekauft hat, und dann gab es plötzlich im ganzen Landkreis keine Klinik mehr, die Abtreibungen vornahm. (Ich weiß grad nicht wo genau, aber lässt sich sicher googeln) Das ist also schon eine reale Tendenz, und sie untergräbt das Subsidiaritätsprinzip, weil die Gesellschaft das natürlich nicht tolerieren kann.

  5. Etwas möchte ich richtig stellen, da ich vermute, dass hier viele alte Bilder über die katholischen Organisationen gebraucht werden.
    In katholischen Organisationen, wie der Caritas, arbeiten viele Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit und Weltanschauung, auch Menschen ohne eine klaren Zugehörigkeit. (Das ist bei der Diakonie weit enger geregelt.)

    In Bewerbungsgesprächen ist die Frage nach der Religionszugehörigkeit meist nur der Auftakt, um über die persönlichen Überzeugungen ins Gespräch zu kommen. Eine christliche Bewerberin, die lappidar angibt, die kirchlichen Feiertage zu kennen, hat hier weit weniger Chancen als eine Bewerberin, die keiner Kirche oder zur muslimischen Gemeinde angehört, aber sich akiiv mit den religiösen Weltanschauungen auseinandersetzt.

    Derzeit wird bei uns an einem Papier gearbeitet, das unser Caritas Verständnis, unsere Identität als katholischer Verband, beschreibt und Antworten auf unsere Erwartungen an alle MitarbeiterInnen (christlich, andere Konfession oder ohne Konfession) darstellen soll.

    Einzig und allein ein aktivier Kirchenaustritt schließt eine Mitarbeit bei der Caritas aus, was ich auch für richtig halte. (Ich kann nicht aus einem Verein austreten und gleichzeitig für diesen Verein arbeiten.)

    Und dann möchte ich noch von einem Gespräch mit einem muslimischen Vater erzählen, der bestimmte Regelungen in unserer Caritas Kita für seinen Sohn aussetzen wollte. Da ich diese Ausnahme seines Sohnes ablehnte, habe ich dem Vater angeboten, dass ich im behilflich wäre, seinen Sohn in einer städtischen Kita anzumelden. Hier wären die religiösbedingten Regelungen nicht existent. Der Vater: „Nein, das ist ja noch schlimmer. Die glauben ja an gar nichts.“
    Mit dieser Aussage kommt mehr von dem verbindenden als dem trennenden zum Ausdruck und das gilt auch für alle MitarbeiterInnen.

    1. @Eva – Danke, das wusste ich tatsächlich nicht. Allerdings scheint mir das „einzig und allein“ etwas irreführend, so als ob das selten Fälle wären. Die meisten Konfessionslosen sind das ja heut deshalb, weil sie irgendwann mal ausgetreten sind. Das Argument überzeugt mich also nicht, da es viele gute Gründe gibt, aus der Kirche auszutreten, die nichts mit der Qualifikation für den Beruf zu tun haben (das war ja mein Argument). Meine Frage: Wie ist es mit Leuten, die aus der evangelischen KIrche ausgetreten sind? Stellen Sie die ein?

      1. Liebe Frau Schrupp, die Erfahrung bei Personalentscheidungen zeigt, dass bisher die meisten BewerberInnen ohne Konfession aus den neuen Bundesländern kamen. Jetzt kommt die Generation ins Berufsleben, deren Eltern die Entscheidung über die Glaubens- und Kirchenzugehörigkeit in die Hände der Kinder gelegt haben und diese Kinder haben sich letztlich für keine Konfession entschieden, weil sie meist keinerlei Glaubserfahrungen gemacht haben. Und dann kommen noch die, die aus persönlichen Gründen eine sehr bewußte Entscheidung gegen eine Kirchenzugehörigkeit gefällt haben z.B. eine zukünftige Mitarbeiterin, deren Eltern bei bei den Zeugen Jehovas sind. Diese junge Frau hat sich auf Grund ihrer Kindheitserfahrung gegen eine Kirchenzugehörigkeit entschieden. Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen konfessionslos zu sein, nicht nur der Kirchenaustritt, den es übrigens bei den Muslimen so nicht gibt.
        Ein Austritt aus der evangelischen Kirche ist mir (gottseidank) noch nicht untergekommen. Gottseidank deswegen, weil ich hier zwischen den evt. guten persönlichen Gründen für eine solche Entscheidung und einer gewissen Verbundenheit mit dem sehr guten Kooperationspartnern aus dem evangelischen Kirche schwanke.
        Ich bin mir nicht sicher, ob es dazu bei der Caritas eine Regelung gibt. Ich werde aber mal nachfragen.

      2. Was mich nach dem Austausch hier noch beschäftigt ist die Frage, warum es so wenig bekannt ist, dass Diakonie und Caritas sich offenbar inzwischen längst von der Mitgliedschaftsklausel wegbewegt haben. Es wär doch eine gute Imagekampagne für die Kirchen, diese Veränderung laut bekannt zu geben: Leute, Ihr müsst nicht mehr in der Kirche sein, um für uns zu arbeiten. Ich würde mir wünschen, dass das laut und transparent kommuniziert würde, auch um der entsprechenden Kritik am Subsidiaritätsprinzip etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.

  6. „Diese Praxis, dass nicht (nur) der Staat selbst, sondern eben solche Verbände sozialstaatliche Aufgaben wahrnehmen (und entsprechend über Beiträge und Zuschüsse finanziert werden), finde ich vom Prinzip her sehr viel besser und auch weniger anfällig für diktatorische Entwicklungen als eine staatlich verordnete Einheitssoße.“

    Ja, vom Prinzip her finde ich es auch richtig u. wichtig, dass Verbände u. kirchliche Träger
    ebenfalls sozialstaatliche Aufgaben wahrnehmen können. Ob diese allerdings weniger anfällig „für diktatorische Entwicklungen“ sind? Zu erinnern wäre da an die Rolle der Kirchen, die sie im Rahmen des sog. Euthanasieprogramms der Nazis eingenommen haben.

    Auf was sollen Nichtgläubige ihr Vertrauen gründen, dass kirchliche Einrichtungen weniger anfällig wären, Macht und Einfluss zu missbrauchen, bzw. sich in vorherrschende Machtstrukturen einzupassen um davon zu ‚profitieren‘?

    1. @ute – ich glaube nicht, dass kirchliche Träger anfälliger oder weniger anfällig sind als staatliche oder andere. Ich wollte sagen, dass ein pluralistisches System mit vielen unterschiedlichen Trägern weniger anfällig ist als ein großes einheitliches.

      1. Weil ich aus mir unerfindlichen Gründen den vorletzten Kommentar nicht antworten kann:

        Dass das nicht stärker bekannt wird, liegt mE an mindestens zwei Gründen.

        Der eine ist eher äußerer Natur: Während akute Diskriminierung von Arbeitnehmer*innen ein Thema von hoher Brisanz auch für eine breitere Öffentlichkeit ist, ist eine graduell vollzogene Veränderung der Anwendung von Regeln halt keine Nachricht, mit der sich hohe Resonanz erzielen lässt. Kirchenvertreter sagen das schon hier und da, aber dringen damit schwer zu einer großen Öffentlichkeit durch.

        Zweitens wird es wiederum auch nicht allzu offensiv nach außen gekehrt, weil man halt doch noch die (teilweise von einer Kirchengemeinde selbst getragenen) Diakonievereine in ländlich geprägten südwestdeutschen Gegenden hat, die großen Wert auf ihr christliches Profil legen und die Richtlinien restriktiv auslegen (und damit auch i.d.R. kein Problem bekommen, weil dort halt doch noch die meisten Bewerber*innen Kirchenmitglieder sind). Erinnere mich, dass vor kurzem erst aus dieser „Richtung“ ein erbostes Schreiben kam, das der EKD mal wieder den unnötigen Kniefall vor dem Zeitgeist vorgeworfen hat. Diese Fraktion ist zahlenmäßig nicht besonders stark, schon gar nicht mit Blick auf die Diakonie als kirchliches Wirtschaftsunternehmen, aber sehr laut und damit tendenziell lästig.

        Man will in dieser Frage den innerkirchlichen Frieden nicht gefährden und neben den sowieso strittigen Themen (besonders, aber nicht nur der Sexualethik) einen neuen Streitpunkt aufmachen.

        Ob das eine sinnvolle Prioritätensetzung ist, kann man natürlich diskutieren.

      2. @Antje – ja, stimme dir zu, was du zur Pluralität sagst. Wie denkst du über die Frage der Finanzierung bzw. was hältst du von der Idee einer Kultur/Sozialsteuer, die unabhängig von einer Kirchenmitgliedschaft von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu leisten ist, (auf Wikipedia als Mandatssteuer beschrieben) ?

  7. Meine Frage hat sich erledigt, da Kirchensteuer/Mandatssteuer eine andere Baustelle
    ist und das Subsidiaritätsprinzip, welches ich sehr befürworte, ja nicht davon berührt ist.

    1. @Ute – sorry, ich war übers Wochenende weg und dann hatte ich es vergessen – Ja, die zwei Sachen haben nichts miteinander zu tun, außer im Weitesten Sinne zur Finanzierung. Ich finde diese Kultur-/Sozialsteuer eigentlich sehr gut, sie wäre momentan aber imho wohl ein Vorteil für die Kirchen, weil man mit einem Kirchenaustritt keine Steuern mehr sparen könnte. Eine Kultursteuer wäre praktisch eine Ausweitung des Subsidiaritätsprinzips.

  8. Die Frage, die sich mir noch stellt, ist, in welcher Weise könnten auch Nichtsteuerzahler*innen Einfluss nehmen auf ein plurales System?

    1. @Ute – Naja, sie können ja über demokratische Prozesse die Rahmenbedingungen mitbestimmen. Also welche Voraussetzungen braucht eine Organisation, um als Anbieter sozialer Leistungen in Frage zu kommen, welche Kriterien muss das Angebot erfülen udn so weiter…

  9. Klar, auf Rahmenbedingungen können natürlich alle Wahlberechtigten über demokratische
    Prozesse mit Einfluss nehmen.

    Trotzdem hätten Steuerzahlende (mal bei dem Zukunftsszenario bleibend) in dieser Sache
    mehr direkte Einflussnahme als z.B. eine Rentnerin mit nicht zu versteuernder Niedrig-Rente
    (oder *zukünftige BGE-Bezieherinnen* ohne weiteres Erwerbseinkommen).
    Mir geht es darum, dass sich nicht die Entwicklung fortsetzt: Wer bezahlt, bestimmt (mehr).

    Nun denn, sind ja ungelegte Eier, über die ich mir da Gedanken mache. Aber wer weiß,
    welche zukünftige Entwicklung sich da noch auftut. 😉

  10. Zu

    „Zweitens: Die weltanschauliche „Marke“ des Christentums – nämlich das Verkünden der „guten Nachricht“ (was das heute bedeutet, hat Nadia Bolz Weber in ihrem Vortrag kürzlich auf dem Kirchentag gut erklärt)“

    „No one says that shit to me in yoga class.“

    Thank God. Die weltanschauliche „Marke“ des Christentums ist obsolet.

  11. Die Caritas (mit mehr als 500.000 Beschäftigten der größte nichtstaatliche Arbeitgeber in Deutschland) erklärt: „Andersgläubige Mitarbeitende können nur angestellt werden, wenn sie den kirchlichen Charakter einer Einrichtung anerkennen und ihn respektieren“. Zugleich müsse sichergestellt werden, dass das Führungspersonal der jeweiligen Einrichtungen katholisch sei und das kirchliche Profil garantiere. Auch erzieherische Aufgaben dürften in der Regel nur von christlichen Mitarbeitern übernommen werden.
    LG
    Kai

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